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Kassenpatienten: Dreimal so lange Wartezeit auf Termine??

Die jüngsten Aufgeregtheiten aller um das Gesundheitswesen und die soziale Gerechtigkeit in diesem Land besorgter Gutmenschen treibt wieder einmal erstaunliche Blüten. So wird seit einiger Zeit in unterschiedlichen Presseveröffentlichungen gebetmühlenartig die Behauptung wiederholt, ein Kassenpatient warte im Schnitt dreimal so lange auf einen Arzttermin, wie ein Privatpatient. Dies sei, so der einhellige Kommentar, ein weiterer Hinweis auf die sich ausbreitende Schieflage im Gesundheitswesen zu Ungunsten gesetzlich Versicherter.

Da ich diesen Propheten vom Untergang des Abendlandes nie so recht traue, noch glauben mag, daß wir in Deutschland kurz davor sind, sterbende Menschen unter Brücken zu finden, habe ich doch gern einmal nachgeschaut, was in der von tns healthcare im Auftrag der BKK erstellten Studie tatsächlich steht.

Was gern verschwiegen wird: Der Mittelwert macht alles schlecht! Und was auch er nicht schafft, das läßt man einfach weg

Bei den veröffentlichten Zahlen handelt es sich um Mittelwerte, die sich noch dazu nur auf einen Teilbereich der Terminvergabe beziehen – nämlich die Termine, die bei akuten Beschwerden der Patienten vergeben werden. So sollen GKV Patienten mit akuten Beschwerden im Schnitt 8 Tage auf einen Termin warten, PKV Patienten dagegen nur 3 Tage. Die daraus abgeleitete Schlußfolgerung, GKV Patienten warteten dreimal so lange, ist äußerst problematisch.

Die meisten zu diesen Zahlen publizierten Kommentare übersehen erstens schlichtweg die Tatsache, daß sich diese Behauptung nur auf einen Teilbereich der Patienten bezieht – die nämlich mit akuten Beschwerden. Diese (n = 663 bei GKV Patienten) stellen jedoch nur einen Bruchteil der Befragten GKV Patienten ohne akute Beschwerden (n = 1903) dar. Die von Gesundheitsexperten und Besorgten in der Presse immer wieder nachgebetete Generalisierung, „Kassenpatienten warten dreimal so lange auf einen Termin wie Privatpatienten“ ist schlichtweg unseriös und aus dem Datenmaterial nicht abzuleiten.

Schaut man sich die Terminvergabe bei Patienten ohne akute Beschwerden an, so sieht die Sache schon ganz anders aus: Hier warten GKV Patienten im Schnitt 26 Tage, PKV Patienten müssen sich 12 Tage in Geduld fassen. Das ist „nur“ noch doppelt so lange für den Kassenpatienten – und gibt nun auch leider keine so schöne Schlagzeile mehr ab.

Weiterhin nicht kommentiert wird die Tatsache, daß diese Zahlen durch den Mittelwertseffekt belastet sind, d.h. eine Verzerrung durch wenige Extremwerte. Hätte man die Wartezeiten seriös miteinander vergleichen wollen, so wäre aus methodischer Sicht anstelle des Mittelwertes der Median zu wählen gewesen – diese simple Erkenntnis wird jedem Studenten im ersten Semester Statistik vermittelt. Nun ja, im Studium geht es ja auch zumindest vereinzelt noch um Erkenntnisse...

Wer muß wie lange wirklich warten? Die Fakten für Akutpatienten!
  • 31% aller GKV Patienten mit akuten Beschwerden erhalten einen Termin noch am gleichen Tag – dies trifft auch für 33% der PKV Patienten zu. Soziale Schieflage?
  • 26% aller GKV Patienten mit akuten Beschwerden warten 1-2 Tage auf einen Termin – so wie es auch 28% aller PKV Versicherten tun. Klare Bevorzugung von PKV Patienten?
  • 22% aller GKV Patienten warten 3-7 Tage auf einen Termin – das tun auch 31% (!!) der Privatversicherten. GKV Versicherte als Patienten zweiter Klasse??

Addieren wir doch bis hierhin einmal:

  • 57% aller GVK Versicherten mit akuten Beschwerden erhalten einen Termin am gleichen Tag oder in 1-2 Tagen – gegenüber 61% der PKV Patienten – das ist ein Unterschied, keine Frage, aber niemals „dreimal so lange“!
  • 79% aller GKV Versicherten mit akuten Beschwerden erhalten einen Behandlungstermin im Zeitfenster „selber Tag bis 7 Tage“ – und teilen dieses Schicksal mit 94% der PKV Versicherten. Das ist ein Unterschied von 15 Prozentpunkten – aber sicher noch keine Zweiklassen Medizin.
  • Lediglich 21% aller GKV Versicherten müssen sich im Fall akuter Beschwerden länger als 7 Tage gedulden – ein Schicksal, das sie mit 6% der PKV Patienten teilen.
  • Schaut man sich die Unterschiede in allen Zeitclustern an, so sind GKV Patienten mit akuten Beschwerden in rund einem Drittel aller Fälle terminlich schlechter gestellt, als privat versicherte Menschen – sie müssen deshalb aber nicht, wie fälschlicherweise immer wieder behauptet wird, prinzipiell ALLE dreimal so lange auf einen Termin warten!
Entwarnung auch für Nicht-Akutpatienten
Hier sieht es ähnlich aus:
  • 6% der GKV Patienten erhalten einen Termin am selben Tag – bei den PKV Versicherten sind es 10%
  • 12% der GKV Versicherten erhalten einen Termin innerhalb von 1-2 Tagen – so lange müssen auch 13% der privat Versicherten warten
  • 30% der gesetzlich Versicherten warten 3-7 Tage auf einen Termin – was auch 42% der PKV Patienten tun.
Und wieder wollen wir addieren:

  • 18% der GKV Patienten bekommen einen Termin am selben Tag oder in 1-2 Tagen – im gleichen Zeitfenster erhalten 23% der privat Versicherten einen Termin.
  • 48% der GKV Patienten bekommen einen Termin im Zeitfenster „heute plus 7 Tage“ – in diesem Zeitfenster bekommen auch 65% der Privatpatienten einen Termin.
  • Die Hälfte der GKV Versicherten ohne akute Beschwerden wartet länger als 7 Tage auf einen Termin – das tun jedoch auch 33% der Privatversicherten.
  • Auch hier zeigt ein Blick auf die Unterschiede in allen Zeitclustern, daß gesetzlich versicherte Patienten in etwas mehr als einem Drittel aller Fälle bei der Terminvergabe schlechter gestellt sind, als Privatpatienten – und auch hier gilt: Sie warten deshalb aber nicht dreimal so lange.
Durchhalten! Das beste kommt zum Schluß
Daß Sie mir lesender weise bis hierhin gefolgt sind, weist Sie sicher als Menschen mit einer Vorliebe für differenzierte Betrachtung scheinbar simpler Sachverhalte aus. Doch vor lauter Ernst und Tiefsinn wollen wir die angenehmen Seiten des Lebens nicht vergessen. Darum hier zum Schluß noch ein Schmankerl aus der Abteilung „Lesen und Lachen“, das uns das WidO in seinem WIdO Monitor, Ausgabe 1 aus dem Jahr 2007, beschert hat. Patienten mit akuten Beschwerden wurden befragt, ob sie die Wartezeit auf einen Arzttermin als zu lang empfunden haben – selbstverständlich mit der Klassenkampf erprobten Unterscheidung zwischen Kassen- und Privatpatient.

Addiert man die Ergebnisse der Untersuchung nach dem bewährten, Tatsachen verzerrenden Mittelwertsverfahren, so entsteht unversehens die nächste Boulevard taugliche Schlagzeile:

„Gesetzlich Versicherte sind deutlich unzufriedener mit der Vergabe von Arztterminen: 33,5% empfanden die Wartezeit als zu lang. Bei den privat Versicherten sind es nur 14,7%“.

Um den Irrsinn dieser Aussage wirklich zu verstehen, kann ich Ihnen einige weitere Zahlen der Studie nicht ersparen:

  • 12,1% der GKV Versicherten mit akuten Beschwerden hielten eine Wartezeit von einem Tag für zu lang – verglichen mit nur 7,3% der Privatpatienten
  • 19,4% der GKV Versicherten mit akuten Beschwerden empfanden eine Wartezeit von 2 bis 7 Tagen als zu lang – dies fanden jedoch nur 11,5% der Privatversicherten
  • 41,9% der GKV Versicherten mit akuten Beschwerden hält eine Wartezeit von 8 bis 14 Tagen für zu lang – diese Meinung aber teilen nur 28,8% der privat versicherten Patienten
Angesichts exakt gleicher Wartezeiten auf einen Termin liest und staunt man – und findet die Zwei Klassen Gesellschaft in der Medizin dann doch noch. Auch mag man sich fragen, auf welchem Planeten so mancher Versicherte lebt und ob vielleicht einmal der Zusammenhang zwischen ungerechtfertigter Jammerbereitschaft, Tendenz zur Leidenshaltung, Hang zur Dramatisierung, Staatsangehörigkeit und Versicherungsform die Mühe einer eingehenden Untersuchung durch das WIdO wert wäre.

Und nun: Tränen abwischen (ganz gleich, welche) und weitermachen!

Herzliche Grüße

Ihr Frank Frenzel

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